Der Planungsablauf

Anfang der siebziger Jahre gab das finnischen Industrieunternehmens OY Finnlines Ltd. einige Marktstudien zu Entwicklung des Deutschland-Finnland Verkehrs in Auftrag. Diese Studien besagten, daß das Passagieraufkommen von Deutschland nach Finnland in den achtziger Jahren drastisch steigen sollte. Dem währen die zu der Zeit eingesetzten Fähren ("Finnhansa" & "Finnpartner" beide ca. 7.500 Br Tonnen) nicht gerecht geworden. Deshalb plante man den Bau einer neuen "Superfähre".

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Im Gespräch war das Projekt "Finnhansa II" als konventionelle Fähre mit etwas größerer Passagierkapazität als ihr Vorgänger; "Finnmidi" wie "Finnhansa II" nur als Schnellfähre; "Finnslow" als langsamere, aber erheblich mehr Passagiere fassende Fähre und "FINNJET" als Schnellfähre mit einer Rundreisedauer von nur zwei Tagen ("Finnhansa & -partner" brauchten 4 Tage), aber geringerer Passagierkapazität als "Finnslow".

"Finnhansa II" und "Finnmidi" schieden aufgrund zu geringer Bettenkapazität sofort aus. "Finnslow" faste zwar mehr Fahrgäste als "FINNJET", dies glich "FINNJET" aber mit der halbierten Rundreisedauer aus, wodurch letztendlich doch mehr Passagier befördert werden konnten. Die extrem hohen Baukosten von "FINNJET" wurden dadurch ausgeglichen, daß sie zwei Fähren ersetzte. Damit war die vom heutigen Standpunkt sicher weitsichtige Entscheidung gefallen, das Projekt FINNJET zu verwirklichen und das gleichnamige Schiff zu bauen.

Der Planung lagen folgende Entwurfskriterien zugrunde:

Da lange Schiffe generell schneller sind als breite, entschied man sich für einen sehr langen schmalen Rumpf. Mit 215,6 Metern ist dies immer noch Rekord. Um bei Eisgang den langsameren Fahrplan (drei Tage für eine Rundreise) einhalten zu könne, wurde die Fähre nach der höchsten finnischen Eisklasse 1A Super entwickelt.

Die hohe Geschwindigkeit von 31 Knoten (59 km/h) wurde durch eine völlig neue Antriebsanlage erreicht. Als Antrieb standen zur Wahl eine extrem große Dieselanlage (90.000 PS) und Gasturbinen (75.000 PS). Der Dieselantrieb wurde nicht gewählt, da er erheblich mehr Platz benötigt hätte, die Turbine im Schadensfall während der Fahrt leicht gegen ein mitgeführtes Reserveagregat ausgetauscht werden konnte, und die Lärmbellastung erheblich höher gewesen währe. Allerdings nahm man damit einige Nachteile in Kauf, so ist der Kraftstoffverbrauch, der für den Schiffsbetrieb modifizierten Flugzeug Turbinen, mit 320 Litern hochwertiger Brennstoffe pro Minute (650 Tonnen für eine Rundreise) relativ hoch und die Turbinen erreichen die optimale Wirtschaftlichkeit nur unter Vollast.

Als Partner für den Bau entschied man sich, nach anfänglichen Diskussionen mit einer plun761.gif (20726 Byte)französischen Werft, für die in Helsinki ansässige Wärtsilä Werft (heute Maasa Yards).

Den Passagieren wurde ein überaus großzügiges Angebot an Gesellschaftsräumen und Kabinen zugesprochen.

Auch in der Raumaufteilung ging man völlig neue Wege. Alle Kabienen wurden im ruhigen Vorschiff untergebracht, während die lauten Gesellschaftsräume über dem Maschinenraum eingebaut wurden. Die A und B Kabienen wurden auf den Decks 4, 5 und 6 untergebracht, die C-Kabine unter dem Wasserspiegel auf Deck 1. Im hinteren Teil des Schiffes auf Deck 4, 5 und 6 wurden zwei Restaurants, ein Tanzsalon, zwei Bars, eine Disco sowie das Konferenzzentrum untergebracht. Ganz oben auf Deck 9 wurde die "Sky Bar" mit bestem Ausblick auf das Meer und unter dem Autodeck ein Schwimmbad mit Sauna und Solarium errichtet.

Bevor das schnellste, größte und modernste Fährschiff allerdings den Dienst aufnehmen konnte, mußten einige bauliche Veränderungen geschaffen werden. So wurden in Helsinki und Travemünde spezielle Hochdruckbunkeranlagen errichtet, um in der kurzen Liegezeit von eineinhalb Stunden die hohe Treibstoffmenge an Bord nehmen zu können. Auch mußte die Meeresenge von Kustaanmiekka vor den Toren Helsinkis verbreitert werden.

Um in der kurzen Zeit den Proviant, Zollfreie Waren, und frische Wäsche aufnehmen zu können, wurde im Heck der Fähre eine Containerbahn eingebaut, die dann die an Land vorbereiteten Container an Bord nehmen konnte.

Das neue "Superschiff" erreichte, unter anderem aufgrund einer groß angelegten plun772.gif (887 Byte)Werbeaktion, schon ein Jahr vor der Jungfernfahrt bis ins Binnenland einen phänomenalen Bekanntheitsgrad. Finnlines bewarb die FINNJET als "das Schiff der neunziger Jahre", aus heutiger Sicht ein Slogan mit hohem Wahrheitsgrad. Die FINNJET ist noch heute das einzige Schiff mit Gastrubinenantrieb und die schnellste konventionelle Fähre (schneller sind nur die Katermaranfähren).

Vom Bau der FINNJET profitierte nicht nur die Finnlines, auch die Wärtsilä Werft erreichte durch sie einen Weltruf. Die FINNJET stellte auch für die finnische Tourismusbranche eine wichtige Brücke dar, die Finnland beträchtlich näher an Mitteleuropa rücken ließ. Das gerade das kleine Finnland eine solche technische Meisterleistung vollbrachte rief allerdings auch Neider auf den Plan. Besonders in Schweden sprach man immer wieder von einem "Angeberschiff".

Nachdem die FINNJET 1976 schon einmal, im unfertigen Zustand (es fehlte noch der Außenanstrich und Teile der Inneneinrichtung), unter den Augen von ca. 100.000 Menschen zur Probe in Travemünde eingelaufen war, wurde sie im Mai 1977 von einigen tausend Menschen auf ihrer Jungfernfahrt von Helsinki erwartet.

plun771.gif (21564 Byte)Als erste Überraschung machte sich innerhalb der ersten Wochen der "Flachwassereffekt" bemerkbar. Die FINNJET konnte ihre Höchstgeschwindigkeit in der Lübecker Bucht und Teilen der südlichen Ostsee nicht erreichen, da dort die das Meer weniger als 40 Meter tief ist. Dies hat zur Folge, daß der Rumpf regelrecht vom Meeresgrund festgehalten wird. Als Konsequenz mußte man die Geschwindigkeit in diesen Gebieten reduzieren.